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Rezensionen

"Energie, Chuzpe und Humor"

PSYCHIATRISCHE PRAXIS(Thieme-Verlag) Ausgabe Juli 2014: "Wenn die Mutter bipolar erkrankt ist"

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"für Psychotherapeuten sehr geeignet"

PSYCHOTHERAPIE-WISSENSCHAFT 2014: Dr. phil. Barwinski

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"ein Beitrag (...), psychische Erkrankungen sichtbar zu machen und zur Sprache zu bringen"

SUIZIDPROPHYLAXE HEFT 157, 2014: Harald Kratochvila

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"ein herausragendes Werk(...), dessen Anschaffung sich in jedem Fall lohnt"

PFAD Fachzeitschrift für die Pflege- und Adoptivkinderhilfe, Heft 2/2014, S. 26

„Laut Beipackzettel darf Mama nicht Autofahren oder Maschinen bedienen. Vom Kindererziehen steht da nichts.“

In ihrem höchst eindrucksvoll mit eigenen Zeichnungen illustrierten „Bilderbuch für Erfahrene“ schildert Naema Gabriel anhand von kurzen Rückblenden in die Kindheit und Jugendzeit, wie es einem Mädchen ergangen ist, das zusammen mit seiner älteren Schwester neben einer manisch-depressiven Mutter aufwuchs. Von der Einschulung bis zur eigenen Mutterschaft lässt sie uns an einem außergewöhnlichen, erschütternden Familienleben teilhaben. In furchterregenden Autofahrterlebnissen erschließt uns die Autorin das Auf und Ab der Innen- und Außenwelt ihrer Ich-Erzählerin zugleich anschaulich, humorvoll und wertfrei.

Aus der scheinbar sicheren Lesedistanz schleichen sich über die Schwarz-Weiß-Grau-Töne der Bilder die hilflose Verzweiflung der erlebenden Kinder, die im Hinterkopf lauernde Angst selber zu erkranken, die lebenshungrige Sehnsucht nach Autonomie und paradoxe Emotionen wie die Scham über die eigene Wut ins Gefühlsleben des Lesers.

Für Pflegeeltern, die ein Kind von psychisch kranken Eltern haben, ist das Buch hervorragend geeignet, sich die Vorstellung ihrer Erlebnisse, ihrer Verwirrung und Angst zu machen. Jugendliche Leserinnen und Leser, die psychische Ausnahmezustände verstehen und bewältigen wollen, mögen sich von dem inneren Monolog der Ich-Erzählerin angesprochen fühlen: „Will ich töten oder sterben oder leben?“ Das Leben ist immer lebensgefährlich, heißt die Devise. „Wenn ich daneben tappe, muss ich einen Meter zurück und von da aus wieder: weiterbalancieren!“ Am Ende steht die Botschaft: Wer sich der Herausforderung und den Zumutungen nicht stellt, wir die Chance verpassen und nicht gelebt haben. „Und irgendwo tief unten in mir, da sitzt die Kraft und schläft, und wenn sie aufwacht, kann ich damit machen, was ich will.“

Wie aus einem Guss erscheinen der thematisch komplexe Entwurf, die literarisch wie auch grafisch kunstvolle Gestaltung, die gediegene Ausführung. Naema Gabriel, selbst Tochter einer Mutter mit bipolarer Erkrankung, ist ein herausragendes Werk gelungen, dessen Anschaffung sich in jedem Fall lohnt.

 

Angela Rupp/Margit Huber

PFAD 2-14 Rezension SINUS.pdf
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Radio MULTIKULT 20.02.2014

Buchbesprechung vom 20.02.2014
Anita Hebbinghaus vom Kinder- und Jugendbuchladen nimmersatt stellt SINUS vor und liest einige Passagen im morgen:magazin von Multikult.fm
Sinus_multikult.fm.mp3
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Lesermeinungen

Erwachsenwerden als Konzentrat

Das Buch von Naema Gabriel hat mich sehr berührt, vor allem aufgrund des für einen autobiografischen Bericht ungewöhnlichen Formats. Die vignettenartigen Geschichten zusammen mit den Bildern wirken extrem verdichtend, man kann sich besonders intensiv hineinversetzen in die geschilderten Begebenheiten, so als wären es die eigenen Erinnerungen, die man vor seinem inneren Auge revue passieren lässt. So viel Leben in so komprimierter Form zu beschreiben ist mutig - und funktioniert! Obwohl es viel Raum für eigene Interpretationen gibt, verliert die Autorin nie die Deutungshoheit über ihre Geschichte: sie äußert keine Vorwürfe und kein Selbstmitleid, sie sucht keinen Schuldigen für ihre "schwierige Kindheit", sondern vermittelt vielmehr das Gefühl, dass ein Sich-Annehmen und Andere annehmen so wie sie sind der Schlüssel zur Selbstbestimmung und einem Leben in Liebe sind. Ein tolles Buch für alle, die sich mit dem Thema "Erwachsenwerden" (wieder) beschäftigen!

(S. Dinsche, Amazon-Kundenrezension)

...von den Socken!

Zuerst war ich ein wenig skeptisch wieviel Unterhaltungswert ein Buch, das einen komplizierten Lebensstart bebildert und beschreibt, wohl haben kann. Und bin wie immer wenn man überrascht wird, total von den Socken .. und ein wenig atemlos.
Was für eine Komposition - durch die Bilder sieht man wie durch kleine Fenster in die jeweligen Lebenssituationen der Hauptfigur. Und man will nicht wegschauen. Sondern mehr. Und dann darf man mit Hilfe der Textstellen die dazwischengeworfen sind, sich noch eigene Bilder dazumalen. Ganz dicht war das alles beieinander für mich als Leser: Das Lachen - das Weinen - das Angst haben .. und dann auch wieder das Glücklich sein. Auf und Ab eben.
Ich bin total begeistert und empfehle es jedem, der auch gerne mal einen Nachmittag lang Berg und Tal fahren möchte.

(Amazon-Kundenrezension)

Eindringliches Erzählen trifft anregende Illustrationen

Sinus wirft nicht um, Sinus umschlingt und hält fest.
Die Autorin schildert das Erwachsenwerden ihrer Figur in Facetten einer Reise - manchmal im Wortsinne, als Berg- und Talfahrt in einem Käfer, manchmal in Momentaufnahmen eines (außer)gewöhnlichen Alltags. Durch die Unmittelbarkeit der Sprache, mit der sich die Figur mitteilt, entsteht schnell eine große Nähe zur ihr. Dieses Buch lesen, bedeutete für mich eine Reise mit vielen Emotionen zu begleiten – mit Überraschung, mit Rührung, mit Freude, mit Spaß und auch mit Erschütterung. Ich habe mitgehofft und mitgebangt.
Der Illustratorin gelingt es, diese andere Welt, diese andere Kindheit vertraut und fremd zugleich darzustellen. Ich habe die Bilder zuerst nur als Einladung in die Geschichte empfunden. Aber beim wiederholten Betrachten entdecke ich immer mehr Details, die im Kopf eigene Geschichten auslösen und auch immer wieder animieren, einzelne Geschichten noch einmal zu lesen.
Sinus ist keine „und sie lebten glücklich“-Geschichte, aber Sinus lässt auch nicht hoffnungslos zurück.
Mir hat die leichte, die heftige, die mitfühlende und die schonungslose Thematisierung der psychischen Erkrankung der Mutter der Hauptfigur sehr imponiert und gefallen. Der Autorin und Illustratorin, Naema Gabriel, ist meiner Meinung nach ein sehr beeindruckender und eigener Blick auf dieses Thema gelungen. Vielen Dank.

(Anne Wiele, Amazon-Kundenrezension)

Ein beeindruckendes Buch - und so ein schöner Schluss!

Ein beeindruckendes Buch – das auch einem nicht Betroffenen zumindest eine Ahnung davon vermitteln kann, was es bedeutet, als Kind mit einem Menschen zusammenzuleben, der so schwer an einer bipolaren Störung erkrankt ist. Fast verstörend für mich, wie gefühlvoll, sogar lustig manche Texte – und auch Bilder! - sind, ohne dass diese aber sarkastisch wirken, wie offen und klar die Zumutungen einer solchen Kindheit beschrieben werden, ohne dass etwas von Verbitterung oder Anklage zu spüren ist. Und dann noch so ein schöner, völlig unpathetischer Schluss! Da bekommt das Wort „Resilienz“ für mich tatsächlich eine ganz neue Bedeutung! Frustrierend dennoch die Frage, die am Ende offen bleibt - bleiben muss: Wer ist meine Mutter minus die Krankheit?

(Carolin Ochs, Amazon-Kundenrezension)

...weist über die Geschichte einer speziellen Jugend im Schatten einer besonderen seelischen Erkrankung hinaus

Das Debüt SINUS der Autorin und Illustratorin Naema Gabriel ist im November 2013 in der Edition Pilscheur des Baseler AAP-Verlags erschienen. Gabriels Coming-of-age-Story kommt in Gestalt eines großformatigen Bilderbuchs mit 60 Seiten, wovon 25 Bleistift-Illustrationen sind.

Die Protagonistin, die mit ihrer älteren Schwester bei ihrer manisch-depressiven Mutter lebt, muss nach einer Kindheit, die wegen der extremen Episoden der Mutter einer wilden Achterbahnfahrt gleicht, ihren eigenen Weg zu echter Selbständigkeit und Kreativität finden – stets konfrontiert mit der Angst, die Krankheit der Mutter könne bei ihr selbst ausbrechen. Sie, die als Kind von der Mutter auf abenteuerliche Autofahrten mitgenommen wurde, welche mal übermütigen Spritztouren, mal lebensgefährlichen Kidnappings glichen, findet ihre eigene Art Autofahren zu lernen, ein Symbol für Selbständigkeit und Freiheit. Sie nimmt psychiatrische Hilfe für sich in Anspruch, trotz des „Vorbilds“ der Tanten, die sich die Dogmen der Anti-Psychiatrie-Bewegung auf die Fahnen geschrieben haben, ohne jedoch zu registrieren, welche Opfer die Ideale der Alt-68er den Kindern abverlangen. Sie entscheidet sich für ein Kunststudium und damit für ihr eigenes Talent, trotz der Angst, den Ausbruch der Krankheit dadurch zu befördern. Gegen die dauernden Selbstmorddrohungen ihrer Mutter wehrt sie sich intuitiv mit einer paradoxen Intervention – und ermöglicht dadurch sich selbst und der Mutter einen neuen Anfang. Gerade als es scheint, ihr Mut zur Selbstbehauptung zahle sich aus und der Durchbruch zum gesunden erwachsenen Dasein sei gelungen, löst das erste Verliebtsein und die Schuld der ersten Trennung eine Katastrophe aus. Ihr Freund nimmt sich das Leben. Die Protagonistin verliert den mühsam erarbeiteten Halt, erlebt die kindlichen Schuldgefühle und den Identitätsverlust mit neuer Wucht und erreicht den in der ganzen Familie so gefürchteten wie vorurteilsbelasteten Tiefpunkt: sie lässt sich in die Psychiatrie einweisen. Doch in der scheinbar ausweglosen Situation zahlt sich die auf dem bisherigen Lebensweg gewonnene Weltsicht der Protagonistin aus, die nie ihren Sinn für Humor und geradezu forschende Neugier verliert. Sie hält den Blick in die eigenen Abgründe aus, wo die Übergänge zwischen zerstörerischer und kreativer Kraft fließend sind, nimmt ihre eigene Schuldfähigkeit an und beginnt, ihren Weg weiter zu gehen.

 

Der Inhalt dieses Buches weist über die Geschichte einer speziellen Jugend im Schatten einer besonderen seelischen Erkrankung hinaus. Naema Gabriel gelingt es, immer wieder an universelle Lebensprobleme anzuknüpfen, die oft zu philosophischen Überlegungen anregen. Zum Beispiel an der Stelle, an der die Töchter erstmals einen medizinischen Text über die Krankheit der Mutter lesen: „...jetzt frage ich mich: wenn all ihre Gefühle nach der Pfeife dieser Krankheit tanzen - wer ist eigentlich sie selbst? Wer ist sie minus die Krankheit?“ Auch die Auseinandersetzung mit den Autoritäten sind typisch für die Pubertät, doch in SINUS eben überzeichnet. So kommt dem Leser der Kontrollanruf der Tante, die wissen will „was das Studium macht und überhaupt“, bekannt vor. Der von der Tante gutgemeinte Vorschlag, die Psychoanalyse durch eine „Bescheinigung“ irgendwie für den beruflichen Werdegang verwertbar zu machen, hat seine eigene Logik in dieser Familie mit sonderbar verdrehten Werten. Doch jeder versteht die Tragikomödie, die Gabriel hier anklingen läßt. Auch im Kapitel „Anti-Psychiatrie-Bewegung“ stellt die Autorin einen klassischen Generationenkonflikt bloß. Die Konsequenzen eines zur Schau gestellten Idealismus brauchen die Idealisten meist nicht selbst zu tragen: „...der psychisch Kranke darf wie Mama in seiner gewohnten Umgebung sein. Mamas gewohnte Umgebung besteht seit der Scheidung nur noch aus der Franka und mir. Wir geben ihr das Gefühl gebraucht zu werden und einen Sinn. Laut Beipackzettel darf Mama in ihrem Zustand nicht Auto fahren oder andere Maschinen bedienen. Vom Kindererziehen steht da nichts.“

 

Mehr Worte braucht Naema Gabriel nicht, um beiläufig ganze Welten zusammenstürzen zu lassen. Und es sind wenige Worte, mit denen sie Bilder vor dem inneren Auge des Lesers in Bewegung setzen kann: „Unser Käfer schiebt seine Scheinwerferkegel vor sich her, bergauf, zielt in die Nacht. Ganz oben ist plötzlich alles auf einmal weg: das Scheinwerferlicht ist mit einem einzigen Happs von der Schwärze geschluckt. Statt Motorbrummen dunkle Stille. Als einziges immer noch da: der Schub unter unseren Ärschen, der uns weiter über den Hügel trägt und den Wagen jetzt wie auf Achterbahnschienen in die Dunkelheit sausen lässt. Ich starre und lausche ins Nichts. Ich erwarte einen Aufprall, der mich mit einem einzigen wohlverdienten Hieb endlich aus meinem Körper katapultiert.“Mit anderen Sätzen schleicht sie sich in das Körpergefühl des Lesers, wie in der Szene, wo sie den durch die Panik der Protagonistin ausgelösten Schwankschwindel beschreibt „...der Ohrenarzt ist nur eine Straße weiter - das kann ich schaffen. Ich hangel mich durchs Treppenhaus, an Häuserwänden entlang, überquere den Zebrastreifen wie eine tropische Hängebrücke und erreiche endlich die Praxis vom Ohrenarzt.“

 

Die Illustrationen sind nur selten einfache Begleitung für den Text sondern weben die Geschichte oft noch weiter, veranlassen den Betrachter, lange dabei zu verweilen und dne Assoziationen freien Lauf zu lassen. Die Illustrationen sind es, die SINUS paradoxerweise komplett von einer klassischen Graphic Novel unterscheiden. Diese Zeichnungen mögen emotional berühren, doch sind sie niemals manipulativ. Gabriel lässt dem Betrachter stets frei, das vordergründig Abgebildete zu sehen, wie ein Berg-und-Tal-fahrendes Bilderbuch-Auto, oder die Symbolik der Lebensreise mit ihren Höhen und Tiefen weiter zu spinnen: wie das Scheinwerferlicht beim Bergauffahren weit in den Nachthimmel reicht und eine Weitsicht erlaubt, welche die Gebundenheit der irdischen Existenz fast zu überwinden scheint, um dann am Tiefpunkt der Talkurve auf das unmittelbar vor einem liegende Fleckchen Erde reduziert zu werden. Sicher, das ist ein Bild für die extremen Episoden einer bipolaren Erkrankung – doch fragt man sich: ist diese nicht eine Übertreibung der allgemeinmenschlichen Höhen und Tiefen?

 

Der Stoff von SINUS ist alles andere als leicht und er ist sicher nicht heiter. Wer ein Weihnachtsgeschenk sucht, der dem Wunschbild des Familienfests der Liebe und des Friedens schon auf den ersten Blick gerecht wird, der sollte sich davon fern halten. Doch ist es die sprachliche Form, die vielen kurzen Kapitel, die gleichsam als Shortest-Stories für sich alleine stehen, die vielen großen Zeichnungen, die jugendliche, oft kindliche Sprache voller witziger Pointen, die mir die Lektüre leicht und spannend machten und das mich das Buch in einem Zug durchlesen ließen. Ich kann mir vorstellen, dass Gabriels Geschichte, von einem klugen Erwachsenen überreicht, einem selbst betroffenen Jugendlichen oder anderen Angehörigen von psychisch Kranken Mut und Vertrauen in die eigene und die elterliche Liebe geben kann. Kindern in akuten familiären Situationen sollte man dieses Buch nicht als Lektüre empfehlen. Denn hier wird nichts bagatellisiert und die Gefahren werden beim Namen genannt. Doch wird der Ton niemals anklagend, bitter oder desillusioniert. Und darin liegt der Wert für jeden Leser, der gerade anfängt, Erwachsen zu werden – oder noch immer damit beschäftigt ist.